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Akribisch geplant koordiniert ENERCON die Markteinführung des neuen Topmodells E-175 EP5. Teams von R&D, Produktion, Logistik und Installation setzen eng abgestimmt gemeinsam den Ramp-up in die Tat um, während am Standort Borchen-Etteln (Nordrhein-Westfalen) der erste Prototyp installiert wird.
Die Installation eines Windturbinen-Prototyps ist für die beteiligten Teams immer mit einem gewissen Anspannungslevel verbunden. Die geballte Aufmerksamkeit liegt auf dem Standort, an dem der neue Anlagentyp errichtet wird – nach monatelanger Entwicklung und Vorbereitung wird das neue Produkt endlich Realität. Nicht anders ergeht es gerade dem ENERCON-Team im Windpark Borchen-Etteln, wo die erste E-175 EP5 entsteht. „Uns ist schon bewusst, dass viele gerade gespannt auf unsere Baustelle schauen“, sagt Projektleiter Vahdettin Congar vom ENERCON Project Management. „Aber wir haben uns sorgfältig vorbereitet, sind vertraut mit Prototypinstallationen und gehen umsichtig vor, damit die erste E-175 EP5 wie geplant dreht. Die Anspannung ist für uns somit gut händelbar.“
Auch ENERCON CTO Jörg Scholle bleibt gelassen: „Keine Frage, die E-175 EP5 ist die ENERCON-Windturbine mit dem bislang größten Rotor. Sie ist unser neues Topmodell, mit ihr machen wir den Schritt in die nächste Leistungsklasse. Aber es ist ja nicht so, dass diese Großrotor-Anlage plötzlich aus dem Nichts auftaucht. Wir haben die Markteinführung mit unserem Team weit im Voraus akribisch geplant. Die E-175 EP5 ist das Ergebnis unserer Technologie- und Produkt-Roadmap. In dieser Maschine bringen wir verschiedene Themen zusammen, die wir Schritt für Schritt bei anderen Anlagentypen gelauncht haben. Wir greifen bei dem neuen Anlagentyp somit auf bestehende Technologien zurück, mit denen wir bereits Praxiserfahrung haben. Das reduziert Risiken, erleichtert die Markteinführung und hilft uns, bei der Produkt- und Prozessqualität bewährte ENERCON-Standards sicherzustellen.“
Praxisbewährte Technologiekomponenten
Als Beispiel nennt der ENERCON CTO die E-Gondel. Das neue boxförmige Maschinenhaus mit integrierter E-Technik wurde bereits in den Baureihen E-160 EP5 und E-138 EP3 eingeführt und über 400mal produziert. Die E-175 EP5 erhält die neueste Evolutionsstufe mit selbsttragender Struktur, die in der E-160 EP5 inzwischen Serienstandard ist und künftig auch bei der E-138 EP3 zum Einsatz kommt. Dann verfügen alle drei neuen ENERCON-Anlagentypen über das gleiche Maschinenhaus, das im ENERCON Kompetenzzentrum Mechatronic in Aurich in einer „mixed model line“ in großer Stückzahl gefertigt wird.
Auch die E-Technik der E-175 EP5 ist bewährter ENERCON-Standard. Die „Power Boost“-Umrichter – eine ENERCON-Eigenentwicklung, die auf jahrzehntelange Expertise bei der Umrichter-Entwicklung und -Fertigung zurückgreift – versehen ihren Dienst bereits in der aktuellen E-160 EP5. Die Anlagensteuerung wird von der EP3-Plattform übernommen: Sowohl die neue Generation des Pitch-Systems und der Windnachführung (yaw system) als auch der neue „PI-CS“-Controller für flexible Betriebsmodi der Windturbine waren erstmals in der E-138 EP3 in die Serie eingeführt worden.
Das Rotorblatt der E-175 EP5 ist ebenfalls eine Eigenentwicklung und baut auf jahrzehntelanger ENERCON-Erfahrung in der Blattentwicklung und Blattproduktion auf. Der Generator basiert zur Markteinführung auf dem PM-Generator der EP5-Plattform, der für die E-175 EP5 eine Leistungssteigerung auf 6,0 MW erhielt. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wird er in der E2 vom neu entwickelten teilbaren PM-Generator mit 7,0 MW abgelöst, der sich momentan in der Prototyp-Phase befindet. Auch bei den Turmtechnologien für die E-175 EP5 greift ENERCON auf Bewährtes aus der EP5-Plattform zurück. Das Turmportfolio enthält verschiedene Hybrid- und Stahltürme mit Nabenhöhen von bis zu 175 Meter.
Vorbereitung mit vielen Testläufen
„Entscheidend für den reibungslosen Launch eines neuen Produkts ist außerdem eine gute Vorbereitung“, fügt Jörg Scholle hinzu. „Im Prototyp-Programm der E-175 EP5 hat das gesamte ENERCON-Team eng zusammengearbeitet, die erforderlichen Schritte entlang der gesamten Prozesskette systematisch und koordiniert abgestimmt und vor dem Start der Anlagenmontage in Borchen-Etteln ausgiebige Praxistests durchgeführt.“ Bei den Tests handelte es sich sowohl um notwendige Testkampagnen, die für die Zertifizierung benötigt werden, als auch um interne Testläufe, um Equipment und Verfahren zu erproben und die Logistik- und Installationsteams damit vertraut zu machen.
Während beispielsweise Prüfkomponenten des neuen E-175 EP5 Rotorblatts im ENERCON-eigenen Blatt-Teststand sowie in Testeinrichtungen unabhängiger Prüfinstitute auf Herz und Nieren getestet wurden, hatte die ENERCON Logistik mit einer Vorserienkomponente eigene Praxiserprobungen vorgenommen. Diese umfassten Transport- und Handling-Tests mit dem für Straßentransporte und den Aufbau vorgesehenen Transport- und Baustellenequipment. Die Rotorblattproduktion in Portugal hatte dafür ein Vorserien-Blatt zur Verfügung gestellt und mit einer für Deutschland bestimmten Ladung Serienblätter nach Cuxhaven verschifft.
Zusammen mit Experten von Project Management und ENERCON R&D wurde in Cuxhaven zunächst der Baustellenanlieferungs- und Montageprozess mit vorgesehenem Handling- und Aufbauequipment simuliert. Dabei wurde das Blatt über die Aufbau-Blatthebevorrichtung gegriffen und eine Anlageninstallation nachgeahmt. Darüber hinaus erfolgte die Montage an einen sogenannten „Blade Lifter“, ein mehrachsiges, fernsteuerbares Transportfahrzeug mit beweglichem Transportgestell, mit dem sich das Rotorblatt an Engstellen entlang der Route nahezu senkrecht aufrichten lässt. Diese Technik kommt bei langen Rotorblättern sowie schwer zu erreichenden Standorten zum Einsatz.
Das Fahrzeug ist in der Lage, den Neigungs- sowie Drehwinkel des Rotorblatts zu verändern und durch Engstellen zu manövrieren. Da der Pitch-Winkel elementaren Einfluss auf das Krümmungsverhalten des Blattes während des Transports hat, wurden die jeweiligen Biegelinien per 3D-Scan aufgezeichnet und werden künftig als Input für Streckenprüfungen und Befahrbarkeitsanalysen bei der Planung von E-175 EP5 Kundenprojekten genutzt.
Ziel der Testläufe auf der Straße war es, das Rotorblatt diversen Fahrmanövern im Transport mit der Nachläufertechnik auszusetzen. Zur Auswertung wurde das Rotorblatt mit Messtechnik ausgerüstet. Zunächst erfolgten Versuche auf dem Hafengelände, anschließend startete das Rotorblatt zu einer Rundfahrt auf öffentlichen Straßen Richtung Leipzig und zurück.
„Wir haben dabei wichtige Erkenntnisse für die Praxis gewonnen und unser Konzept verfeinert“, sagt Hendrik Peterburs, Vice President Global Logistics. „Die Tests dienten dazu, uns mit dem neuen Rotorblatt vertraut zu machen, das mit 86 Metern noch einmal deutlich länger als unsere bisher längsten zu transportierenden Komponenten ist. Wir wollen damit auch für die E-175 EP5 unsere hohen Qualitätsstandards – ,ENERCON Qualität‘ – sicherstellen.“
Umstellung der Produktionsprozesse
In ENERCONs Produktionsorganisation ist der Serienanlauf der E-175 EP5 ebenfalls das beherrschende Thema. Während die Blattfertigung im Rotorblattwerk in Viana do Castelo/Portugal bereits gestartet ist, laufen im Kompetenzzentrum Mechatronic die Umbaumaßnahmen für den Anlauf der Gondel- und Nabenfertigung auf Hochtouren. „Wir bereiten uns auf die Fertigung im Bereich E-Gondel und Rotornabe für die E-175 EP5, E-160 EP5 und E-138 EP3 vor. Durch unser neues Line Design werden wir sowohl geringere Durchlaufzeiten, als auch einen höhere Ausbringung erreichen“, sagt Mechatronic-Geschäftsführer Matthias Drong. „Angepeilt ist in der letzten Ausbaustufe ein Output für die drei Anlagentypen von insgesamt bis zu 1.000 Komponenten pro Jahr.“
Erreicht werden soll das unter anderem durch die Aufteilung der Produktionslinien in sogenannte Hauptlinien und Vormontagen. In den Vormontagen werden Module der Komponenten separat vorproduziert und anschließend der Hauptlinie zugeführt. So ist es möglich, die Komplexität der Produktionslinie zu entzerren, um eine ausgetaktete Produktion gewährleisten zu können. Das Umtakten der Komponenten innerhalb der Produktionslinien erfolgt beispielsweise bei der Rotornabe über eine automatisierte Fließlinie und bei der E-Gondel über selbstfahrende Transportfahrzeuge. So wird zum einen die Arbeitssicherheit deutlich erhöht und zum anderen die Prozessnebenzeiten durch das Umtakten per Kran reduziert. Eine besondere Herausforderung stellen auch die werksinternen Logistikprozesse dar. Damit in der Endausbaustufe alle 3,75 Stunden eine fertige Komponente die Produktionslinie verlässt, bedarf es einer ausgetakteten Materialversorgung der einzelnen Produktionszellen.
Ein weiterer Baustein des Konzepts wird gerade im Hallenschiff für die Nabenfertigung in Betrieb genommen. „Hier reduzieren wie die Durchlaufzeiten außerdem durch den Einsatz von Automatisierungstechnik“, erklärt Matthias Drong. Die 381 Bolzen der Blattflanschlager verschraubt jetzt ein Industrieroboter – vollautomatisch und in gleichbleibender Qualität. „Mit all diesen Maßnahmen schaffen wir die Voraussetzungen für die Steigerung der Stückzahlen auf das veranschlagte Niveau“, sagt Matthias Drong.
ENERCON CCO mit Markteinführung zufrieden
Der lange im Voraus geschmiedete Masterplan und das gut koordinierte Teamwork bestätigen sich im voranschreitenden Ramp-up der E-175 EP5 als die entscheidenden Erfolgsfaktoren. „Wir sind sehr zufrieden, wie die Markteinführung des neuen Anlagentyps verläuft“, zieht ENERCON CCO Uli Schulze Südhoff Zwischenbilanz. Hochzufrieden ist der Vertriebsvorstand auch damit, wie ENERCONs neues Topmodell bei Kunden ankommt: „Wir haben das Volumen für 2025 bereits verkauft. Auch für die nächsten 24 Monate sind wir mit Kunden in konkreten Verhandlungen für zahlreiche Projekte – und es gibt darüber hinaus weitere Anfragen, darunter von immer mehr internationalen Kunden. Wir hören unseren Kunden zu und wollen ein wettbewerbsfähiges Produkt mit ENERCON-Qualität liefern, das ideal zu den Anforderungen in vielen internationalen Onshore-Märkten passt. Ein solches Produkt, flankiert durch einen starken Service, Partnerschaften auf Augenhöhe und erweiterte Kundenlösungen von der Planung bis zur Projektfinanzierung, macht den Unterschied!“